Die folgenden Ausführungen sind nur ein grober Überblick. Sie ersetzen keine Rechtsberatung im konkreten Fall. Wir haften nicht für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.

BAG: Bereitschaftsdienst von Klinikärzten ist vorläufig keine Arbeitszeit
(Beschluss vom 18. Februar 2003 - 1 ARB 2/02 -)


Trotz eines entgegenstehenden EuGH-Urteils werden Bereitschaftsdienste von Klinikärzten vorerst weiterhin nicht als Arbeitszeit anerkannt. 

Würde man die vom EuGH zur EG-Arbeitszeitrichtlinie aufgestellten Grundsätze anwenden, hätten verschiedene Vorschriften des deutschen Arbeitszeitgesetzes keinen Anwendungsbereich mehr, so dass sie praktisch aufgehoben werden würden. Hierzu ist das BAG aber nicht befugt. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers, die EG-Richtlinie umzusetzen und das Arbeitszeitgesetz entsprechend zu ändern.

Der beklagte Arbeitgeber ist ein Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes und betreibt einen Rettungsdienst. Er hatte 1996 mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen, in der Arbeitszeiten vorgesehen sind, die sich (unter Einbeziehung von Bereitschaftsdienst) auf mehr als 48 Stunden in der Woche belaufen.

Der Betriebsrat begehrte die Feststellung, dass die Betriebsvereinbarung unwirksam sei. Eine Wochenarbeitszeit von mehr als 48 Stunden sei unzulässig. Das ArbG gab dem Antrag statt. Die hiergegen gerichtete Sprungrechtsbeschwerde des Arbeitgebers hatte Erfolg.

Die streitige Arbeitszeitregelung verstößt zwar gegen die EG-Arbeitszeitrichtlinie, da danach die durchschnittliche Wochenarbeitszeit nicht mehr als 48 Stunden betragen darf und Bereitschaftsdienst bei Anwesenheitspflicht in den Räumen der Arbeitgeber in vollem zeitlichen Umfang als Arbeitszeit gilt. Dies ergibt sich aus dem „SIMAP“-Urteil des EuGH vom 3.10.2000, das ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar ist.
Die streitige Arbeitszeitregelung steht aber im Einklang mit dem deutschen Arbeitszeitgesetz, und dieses kann nicht europarechtskonform ausgelegt werden. 

Bei einer einschränkungslosen Behandlung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit hätten verschiedene Vorschriften des Gesetzes (etwa § 5 Abs.3 und § 7 Abs.2 Nr.1) keinen Anwendungsbereich mehr; sie würden nicht ausgelegt, sondern aufgehoben. Das ist den Gerichten verwehrt.

Trotz ihrer Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie sind die betreffenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes deshalb weiterhin anzuwenden. Eine EG-Richtlinie begründet Umsetzungspflichten für die Mitgliedstaaten; im Verhältnis zwischen privaten Arbeitsvertragsparteien ist sie nicht unmittelbar anwendbar. Etwas anderes kommt nur im Verhältnis zum staatlichen Arbeitgeber in Betracht. Ein solcher ist das Deutsche Rote Kreuz jedoch nicht.